Pflichtteilsergänzungsanspruch – Höhe, Berechnung und Fristen

Den nächsten Angehörigen des Erblassers steht auch dann ein Teil des Vermögens zu, wenn der Erblasser sie in seiner letztwilligen Verfügung nicht bedacht hat oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten. Hat der Erblasser vor seinem Tod Schenkungen vorgenommen, so können darauf Pflichtteils­ergänzungs­ansprüche resultieren.

In diesem Beitrag erfahren Sie unter Anderem, was der Pflichtteils­ergänzungs­anspruch ist, wie er sich berechnet und welche Fristen bei der Geltendmachung zu beachten sind.

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Was ist der Pflichtteils­ergänzungs­anspruch und wer kann ihn geltend machen?

Pflichtteils­berechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers, der Ehepartner und – falls keine Abkömmlinge vorhanden sind – auch die Eltern des Erblassers.

Sie haben im Falle einer Enterbung Anspruch auf den Pflichtteil. Pflichtteilsberechtigte können den Pflichtteil(-sergänzung-)sanspruch ausnahmsweise auch dann geltend machen, wenn sie nicht enterbt wurden, der ihnen zugedachte Erbteil aber geringer ist, als der Pflichtteil wäre (sog. Zusatzpflichtteil).

Generelle Informationen zum Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsrecht

Der ordentliche Pflichtteil ist ein Zahlungsanspruch berechnet aus dem tatsächlichen Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Die Pflichtteilsquote beträgt ½ der gesetzlichen Erbquote.

Würde der Erblasser vor seinem Ableben einen Großteil des Nachlasses verschenken, wäre im Erbfall kaum noch etwas vorhanden und die Pflichtteilsberechtigten gingen im Rahmen des ordentlichen Pflichtteilsanspruches leer aus. Um das zu verhindern, wurde der Pflichtteils­ergänzungsanspruch entwickelt (auch Ergänzungspflichtteil), § 2325 BGB.

Danach sind insbesondere Schenkungen, die der Erblasser im Zeitraum von 10 Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat, im Rahmen des Pflichtteils­ergänzungs­anspruches zu berücksichtigen.

Lesen Sie auch: Berechnung & Höhes des Pflichtteils

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Pflichtteilsberechtigte können gemäß § 2314 BGB Auskunft von dem Erben verlangen. Der Erbe ist dabei verpflichtet, Auskunft in Form eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen, in dem Angaben zum Aktivvermögen des Erblassers, dessen Verbindlichkeiten (z.B. Bestattungskosten), aber auch zu für den Pflichtteils­ergänzungs­anspruch relevante Schenkungen enthalten sind.

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Wie wird der Pflichtteils­ergänzungs­anspruch geltend gemacht?

Die Pflichtteilsberechtigten müssen den ordentlichen Pflichtteil, aber auch den Pflichtteils­ergänzungs­anspruch bei dem Erben geltend machen bzw. einfordern.

Der Pflichtteils­ergänzungs­anspruch richtet sich nur im Ausnahmefall gegen den Beschenkten selbst. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Nachlass zur Begleichung der Pflichtteilsansprüche nicht ausreicht, also dürftig oder überschuldet ist.

Das Abschmelzmodell: Wie hoch ist der Pflichtteils­ergänzungs­anspruch?

Grundsätzlich werden Schenkungen des Erblassers dem Nachlass fiktiv angerechnet und führen so zu einer Erhöhung des Pflichtteils.


Dies gilt insbesondere für Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die 10-Jahres-Frist erst mit dem Zeitpunkt beginnt, an dem der Erblasser das Geschenkt tatsächlich weggegeben hat.

Zeitpunkt der Schenkung Anrechnung zu
Bis zu 1 Jahr vor dem Todesfall 100 %
Bis zu 2 Jahre vor dem Todesfall 90 %
Bis zu 3 Jahre vor dem Todesfall 80 %
Bis zu 4 Jahre vor dem Todesfall 70 %
Bis zu 5 Jahre vor dem Todesfall 60 %
Bis zu 6 Jahre vor dem Todesfall 50 %
Bis zu 7 Jahre vor dem Todesfall 40 %
Bis zu 8 Jahre vor dem Todesfall 30 %
Bis zu 9 Jahre vor dem Todesfall 20 %
Bis zu 10 Jahre vor dem Todesfall 10 %
Ab dem 11. Jahr vor dem Todesfall 0 %

Nach der Rechtsprechung liegt eine Weggabe z. B. dann nicht vor, wenn der Erblasser sein Einfamilienhaus unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnungs- oder Nießbrauchsrechtes übertragen hat.

Ein konkretes Beispiel zu Schenkungen und vorweggenommenen Erbfolge finden Sie hier.

Eine weitere Ausnahme bilden Schenkungen an den Ehepartner. Bei diesen beginnt die 10-Jahres-Frist nicht zu laufen, solange die Ehe noch besteht, § 2325 III BGB. War der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet, so sind also alle Geschenke an den Ehegatten während der gesamten Ehezeit zu berücksichtigen – egal wie viele Jahre diese zurückliegen.

Wann verjährt der Pflichtteils­ergänzungsanspruch?

Der Pflichtteilergänzungsanspruch verjährt ebenso wie der ordentliche Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren.

Allerdings gibt es bei der Verjährung des Pflichtteilergänzungsanspruchs einen entscheidenden Unterschied: Während die dreijährige Verjährungsfrist beim ordentlichen Pflichtteil erst am Jahresende des Jahres, in dem der Berechtigte von seinen Ansprüchen erfahren hat, zu laufen beginnt, beginnt die Frist beim Pflichtteilergänzungsanspruch bereits am Todestag des Erblassers.

Kann der Pflichtteils­ergänzungsanspruch gekürzt werden?

Trotz des Pflichtteils­ergänzungs­anspruchs kann der angehende Erblasser durch verschiedene Maßnahmen zu Lebzeiten den Pflichtteil – und auch Pflichtteil­sergänzungs­ansprüche – verringern.

  • Einfluss auf die Pflichtteilsquote kann z.B. durch Heirat oder Adoption von (Stief-)Kindern genommen werden.
  • Durch frühzeitige Schenkungen können bei Verstreichen der 10-Jahres-Frist Pflichtteils­ergänzungs­ansprüche gänzlich ausgeschlossen werden.
  • Bei der Übergabe von Immobilien oder Gesellschaftsanteilen kann durch die geschickte Gestaltung ggf. eine Schenkung ganz vermieden werden.

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Wer Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche bereits zu Lebzeiten wirksam reduzieren möchte, sollte sich daher möglichst früh mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinandersetzen. In seltenen Ausnahmefällen ist sogar die komplette Entziehung des Pflichtteils möglich.

Sollten Sie Fragen zur Minimierung von Pflichtteils­ansprüchen haben, scheuen Sie sich nicht uns zu kontaktieren, um in einem individuellen Beratungsgespräch Ihre Möglichkeiten abzustimmen.

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Wie wird der Pflichtteils­ergänzungsanspruch berechnet?

  • Für den ordentlichen Pflichtteils­anspruch ist zunächst der Wert des Aktivvermögens des Erblassers (Immobilien, Finanzvermögen, Hausrat, Auto etc.) zu ermitteln.
  • Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Bestattungskosten. Rechnungen aus Krankenhaus oder Pflegeheim) werden davon abgezogen. Das Ergebnis ist der sog. Nettonachlass.
  • Alle bei der Pflichtteilsergänzung relevanten Schenkungen werden – unter Beachtung einer etwaigen Abschmelzung aufgrund der 10-Jahres-Frist – dem Nettonachlass hinzuaddiert.

Auf dieser Basis wird nun anhand der Pflichtteilsquote der Gesamtpflichtteil berechnet.

Wie wirken sich Schenkungen von sog. nicht verbrauchbaren Vermögenswerten auf den Pflichtteils­ergänzungs­anspruch aus?

Bei der Schenkung von Geld handelt es sich um eine verbrauchbare Sache. Es gilt im Rahmen der Pflichtteilsergänzung der Geldbetrag zum Zeitpunkt der Schenkung, der jedoch auf den Todestag anhand des Kaufkraftschwundes zu indexieren ist.

Auch nicht verbrauchbare Vermögenswerte, wie z.B. Immobilien oder ein Auto werden selbstverständlich ebenso zur Berechnung des Pflichtteils bzw. Pflichtteils­ergänzungs­anspruchs hinzugezogen. Zu beachten ist, dass hier das Niederstwertprinzip gilt: Unterscheidet sich der Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls von dem zum Zeitpunkt der Schenkung, so wird der niedrigere Wert für die Berechnung herangezogen.

Ihre Fachanwälte für Erbrecht in Dresden helfen Ihnen bei Fragen und Problemen zum Pflichtteils­ergänzungs­anspruch

Gerne unterstützen wir Sie bei allen Ihren Fragen zum Pflichtteils­ergänzungs­anspruch – sei es die Berechnung, die Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen den Erben oder die Unterstützung bei Maßnahmen zur Minimierung von Pflichtteilsansprüchen.

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